Gleichgültig ob es um Ideen, Einsichten, Technologien oder Produkte
geht: Wenn für etwas die Zeit gekommen ist lässt es sich nicht mehr
aufhalten. Die Ereignisse überschlagen sich und bereits kurze Zeit
später kann sich niemand mehr vorstellen, dass es jemals anders war.Eine solche Entwicklung findet momentan auf dem Feld der
E-Mail-Archivierung statt. Noch 2004 meinten die meisten der von
SofTrust Consulting befragten deutschen und österreichischen
Unternehmen, dass für sie eine unternehmensweit organisierte
E-Mail-Archivierung in nächster Zukunft kein Thema sei. Und jetzt, ein
gutes Jahr später, beschäftigt sich ein Großteil genau dieser
Unternehmen sehr intensiv damit.
Wie bei allen schnellen Umbrüchen wird das große Interesse nicht nur
aus einer Quelle genährt, sondern es treffen mehrere unterstützende
Faktoren gleichzeitig aufeinander. Sicherlich ist die Tatsache, dass
nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland bestimmte E-Mails von
Gesetzes wegen aufbewahrt werden müssen, eine treibende Kraft. AO und
GDPdU fordern die 6 bzw. 10 jährige Aufbewahrung von
geschäftsrelevanten E-Mails - und zwar vollständig in revisionssicherer
und elektronischer Form. Aber das ist nicht die alleinige Ursache für
die aktuelle Brisanz des Themas. Die explizite rechtliche Forderung
besteht schließlich bereits seit 2002, ohne dass sich deshalb sehr viel
getan hätte. Das plötzliche Interesse an der E-Mail-Archivierung hat
vielmehr vor allem damit zu tun, dass neben den Finanzleuten nunmehr
auch andere innerbetriebliche Interessengruppen nach der langfristigen
Aufbewahrung von E-Mails rufen.
So haben mittlerweile das Management, die IT-Abteilung und nicht
zuletzt die Anwender ein gesteigertes Interesse an einer systematischen
Aufbewahrung der E-Mail. Jede Gruppe hat hierfür unterschiedliche
Gründe.
Das Management hat beispielsweise realisiert, dass in E-Mail-Systemen
inzwischen ein erheblicher Teil der geschäftskritischen Informationen
liegt. Je nach Untersuchung ist von 35 bis 75 Prozent die Rede. Das
bedeutet, dass bis zu 75 Prozent des unternehmensrelevanten Wissens in
E-Mail-Systemen liegt - und was besonders gravierend ist: ein guter
Teil liegt nur noch dort. Wenn diese Informationen nicht verloren gehen
sollen, dürfen alte E-Mails und deren Anhänge nicht einfach gelöscht
werden. Das Management befindet sich damit in Übereinstimmung mit den
Anwendern, die genau dieses fordern. Diese haben sich in ihren
E-Mail-Systemen nämlich inzwischen häuslich eingerichtet und benutzen
sie auch für Dinge, für die die Systeme nie gemacht wurden.
E-Mail-Systeme müssen beispielsweise herhalten, um nachzusehen, wann in
der Vergangenheit bestimmte Ereignisse stattfanden oder um bestimmte
Dokumente zu suchen (die, wie sich der Anwender genau erinnern kann,
"damals als Anhang an Herrn Müller geschickt wurden"). Viele Anwender
nutzen E-Mail-Systeme auch dazu, ihre offenen Aufgaben zu verwalten
(selbst dann, wenn keine Kalenderfunktion integriert ist). Da ist es
natürlich störend, wenn E-Mails gelöscht werden - ob absichtlich oder
aus Versehen. Die E-Mails sollen weiter verfügbar sein. Sie und vor
allem ihre voluminösen Anhänge einfach in den E-Mail-Boxen der Anwender
zu belassen ist allerdings keine Option. Denn IT-Verantwortliche haben
eine ganze Reihe von Argumenten gegen diese Vorgehensweise.
IT-Verantwortliche sind gegen voluminöse E-Mail-Boxen. Sie wollen die
aktiven E-Mail-Boxen möglichst klein halten. Zum einen machen große
E-Mail-Bestände die E-Mail-Server technisch instabil. Die Gefahr von
Systemzusammenbrüchen wächst mit zunehmender Datenmenge
überproportional an und niemand kann es sich heute noch leisten, dass
das E-Mail-System über längere Zeit nicht verfügbar ist. Außerdem
kostet die Verwaltung von alten E-Mails auf den E-Mail-Servern zu viel
Geld und vor allem auch teuere E-Mail-Server-Kapazität. Mancher
IT-Verantwortliche hat zudem ein noch viel elementareres Problem: Wenn
die Datenmengen auf den E-Mail-Servern zu stark angewachsen reicht die
zur Datensicherung bereitstehende Back-up-Zeit nicht mehr aus. Wenn
aber nicht mehr alle Postfächer lückenlos gesichert werden können, wird
ein Systemabsturz schnell zur Katastrophe. Doch auch bei lückenlosen
Backups wird das Wiederherstellen von abgestürzten E-Mail-Systemen mit
zunehmendem Backup-Volumen für die E-Mail-Verantwortlichen immer
schwieriger. Um die zahlreichen inkrementiellen Backups vollständig und
richtig einzuspielen, kalkulieren IT-Verantwortliche häufig schon mit
mehr als 24 Stunden - eine Zeit, in der die Anwender E-Mail gar nicht
oder nur eingeschränkt nutzen können. Es wundert deshalb nicht, dass
IT-Verantwortliche gerne ein System sehen würden, das einen Großteil
der Daten aus den E-Mail-Boxen nimmt und in einem separaten
Archivierungssystem bereitstellt. Dass auf dieses System nicht nur die
Systemverantwortlichen, sondern auch die Anwender direkt Zugriff haben
sollten, ist dabei für beide Seiten gleichermaßen wichtig. Vielen
IT-Verantwortlichen ist nämlich die Zeit, die ihre Spezialisten damit
verbringen, um für Anwender zu früh oder versehentlich gelöschte
E-Mails aus alten Backup-Beständen wiederherzustellen, schon lange ein
Dorn im Auge. Das sollen die Anwender künftig selbst machen.
Nun ist Archivierung für die gängigen E-Mail-Systeme an sich kein
unbekanntes Thema. Praktisch jedes in Unternehmen eingesetzte
E-Mail-System bietet von Haus aus die Möglichkeit, ausgewählte
Nachrichten oder ausgewählte Ordner in Archivdateien auszulagern.
Allerdings entspringen diese Lösungen primär dem Wunsch des Anbieters,
die aktuellen Mail-Boxen durch Auslagerung klein genug zu halten, um
einen fehlerfreien Betrieb des E-Mail-Systems sicher zu stellen. Ziel
dieser Archivierungsfunktionen ist also der reibungslose Betrieb der
Messaging-Plattform und nicht eine möglichst optimale Unterstützung der
Anwender oder der IT-Verantwortlichen. So müssen beispielsweise die
Archivierungsdaten von Exchange auch dann immer gesichert werden, wenn
sie sich überhaupt nicht geändert haben. Exchange öffnet die
Archivdateien nämlich standardmäßig und das geänderte Filedatum zwingt
dann das Back-up-Programm dazu, die - für gewöhnlich sehr großen -
Dateien zu sichern.
Es verwundert deshalb nicht, dass die IT-Verantwortlichen mit den
Standardlösungen der E-Mail-Systeme nicht zufrieden sind und deshalb
nach speziellen Lösungen suchen. Dabei ist es bei der internen
Argumentation äußerst hilfreich, dass sie nachweisen können, dass sich
die Investition in eine E-Mail-Archivierungslösung in der Regel alleine
schon aufgrund der Einsparungen bei Speicher- und
E-Mail-Serverkapazität innerhalb weniger Monate bezahlt macht. Der
Markt hat auf die gestiegene Anfrage reagiert. Eine von SofTrust
Consulting im Mai 2005 komplettierte Markterhebung hat 44
Archivierungssysteme identifiziert, die derzeit im deutschsprachigen
Raum aktiv angeboten werden. Weitere 12 Systeme stehen in den
Startlöchern und werden voraussichtlich innerhalb der nächsten 12
Monate verfügbar (Details der Untersuchung können hier
kostenlos herunter geladen werden.). Die Unternehmen haben also viel
Auswahl. Allerdings zeigt die detaillierte Produktanalyse von SofTrust
Consulting, dass es doch wesentliche Unterschiede zwischen den Lösungen
gibt. Deshalb sollte die Wahl der Archivierungslösung vor dem
Hintergrund des eigenen Anforderungsprofils sorgfältig bedacht werden.
Manche Archivierungslösungen haben primär die Entlastung der
E-Mail-Server zum Ziel. Andere fokussieren auf die Erfüllung
gesetzlicher Vorschriften. Wieder andere legen großen Wert auf die
Integration in das bestehende Dokumentenhandling oder das vorhandene
Archivierungswesen. Aufgrund des langfristig orientierten Einsatzes
einer Archivierungslösung sollte jedes Unternehmen darauf achten, dass
seine Anforderungen optimal abgedeckt werden.
Gleichgültig wie die Unternehmen bei der Auswahl vorgehen: Innerhalb
der nächsten Jahre wird wohl jedes größere Unternehmen in eine
E-Mail-Archivierungslösung investieren. Laut einer Studie der
amerikanischen Radicati Group wird das weltweite Marktvolumen von 177
Millionen Dollar in diesem Jahr auf 4,4 Milliarden Dollar im Jahr 2008
anwachsen.