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Zehn Jahre GDPdU

Auf dem Weg in die elektronische Geschäftswelt

Von Gerhard Schmidt

15.07.2011

Gerhard Schmidt

Gerhard Schmidt
Chefredakteur des "Forum Elektronische Steuerprüfung".

Gerhard Schmidt macht sich Gedanken über die großen Entwicklungslinien.

Wir stecken mitten drin im Transformationsprozess von der konventionellen papierbasierten Geschäftswelt in die elektronische Geschäftswelt. Das gilt für die Wirtschaft wie für den Staat mit seiner öffentlichen Verwaltung. Ob es das papierlose Büro jemals geben wird, sei dahin gestellt. Papierärmer wird das Büro tagtäglich überall.

Der Transformationsprozess ist eine Einbahnstraße. Ein Zurück zum Papier irgendwo im Geschäftsprozess mag zwar mancherorts gewünscht und praktiziert werden, ist jedoch Zeichen von prozessualen Defiziten (Email empfangen, ausdrucken, löschen, bearbeiten, einscannen, elektronisch aufbewahren). In exakt die elektronische Richtung geht auch die Rechtsprechung bei der elektronischen Steuerprüfung: alles, was im Unternehmen elektronisch vorliegt, muss dem Prüfer auch elektronisch zur Verfügung gestellt werden.

Der wesentliche Unterschied zwischen papierbasierten und elektronischen Geschäftsprozessen ist, dass die Geschäftsobjekte ihre physische Repräsentation verlieren, mit den Sinnen nicht mehr wahrgenommen werden können. Logisch haben sich die Geschäftsobjekte nicht geändert. Eine Bestellung ist eine Bestellung, gleichgültig ob sie als Brief oder als Email ankommt.

Der Verlust der physischen Repräsentation von Geschäftsobjekten wie Rechnungen wirft eine ganze Reihe gravierender Fragen und Probleme auf: Wie steht es um deren Sicherheit, Manipulationsmöglichkeit, Verlust, Beweiswert, etc.? All diese Fragen müssen grundsätzlich beantwortet werden. Jedes Unternehmen muss dann entscheiden, welche Bedeutung es den einzelnen Aspekten beimisst und welchen Aufwand es für welche qualitätssichernden Maßnahmen betreiben möchte.

Auf manche dieser Fragen gibt es noch keine zufriedenstellenden allgemein gültigen Antworten. Das Thema Dokumentsicherheit bei elektronischen Rechnungen beispielsweise nur unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten zu betrachten (Bedeutung der Signatur) greift zu kurz. Eine Rechtsgebietsübergreifende Betrachtung ist hier nötig, die u.a. auch das Ertragsteuer- und das Zivilrecht umfasst. Hier gibt es noch keine klare einheitliche Sichtweise.

Wer über die Qualität und Qualitätsmaßstäbe von elektronischen Geschäftsobjekten nachdenkt, sollte zum Vergleich immer in die Papierwelt schauen. Aus zweierlei Gründen. Einmal, weil in der elektronischen Welt keine höheren Anforderungen erfüllt werden müssen als in der Papierwelt. Zum anderen, weil dadurch Defizite in der Papierwelt offenbar werden können.

Die Papierwelt hat sich, von den meisten unbemerkt, in den letzten Jahren gravierend verändert. Zu Zeiten, in denen Handelsbriefe per Hand oder Schreibmaschine zu Papier gebracht wurden, waren diese einzigartig und eindeutig einer Person und damit einem Unternehmen zuordenbar (durch die Handschrift oder die Art des Anschlags auf der Schreibmaschine). Heute werden  Handelsbriefe durch die IT generiert und mittels eines Druckers (Arbeitsplatz, Netzwerk, irgendwo in der Cloud) auf Papier gebracht. Ein so bedrucktes Papier ist weder einzigartig noch eindeutig einer Person oder einem Unternehmen zuordenbar. Welchen Unterschied macht es dann aus, ob ein PDF erst gedruckt und dann auf Papier verschickt oder erst elektronisch verschickt und dann ausgedruckt wird? Offensichtlich keinen, wie mir bereits 2004 in meiner Glosse "Steuerehrlichkeit mit Haken" klar wurde.

Die Qualität der physischen Repräsentation von Geschäftsobjekten hat sich also gewandelt. Anfassen kann man ein Rechnungspapier zwar nach wie vor. Doch stand früher eine ebenfalls physische Person dahinter, so ist es heute ein abstrakter elektronischer Prozess. Beurteilen lassen sich heute somit eindeutig nur die logischen Daten auf dem Papier. Das ist dann kein Unterschied zu den elektronischen Geschäftsobjekten, bei denen mangels physischer Greifbarkeit sowieso nur die logischen Daten zur Beurteilung zur Verfügung stehen.

Ziel des Übergangs von der papierbasierten in die elektronische Geschäftswelt sind effiziente, medienbruchfreie Geschäftsprozesse. Diese lassen sich in zwei Stufen erreichen: physisches Papier wird zu "elektronischem Papier" und Bilddokumente werden zu Datendokumenten.

In der ersten Stufe wird Papier als Datenträger eliminiert und beispielsweise durch eine PDF-Datei ersetzt. Für die Weiterverarbeitung steht dem Empfänger aber allerdings nach wie vor ein bildhaft dargestelltes Dokument zur Verfügung. Daher kann man bei einer PDF-Datei durchaus von "elektronischem Papier" sprechen.

In der zweiten Stufe wird die bildhafte Darstellung eliminiert. Eine Rechnung beispielsweise besteht in der Fakturasoftware des Absenders aus strukturierten Daten.  Beim Empfänger besteht die Rechnung in der Buchhaltungssoftware ebenfalls aus strukturierten Daten. Die optimale Lösung ist daher der Austausch strukturierten Daten von System zu System. Bei Rechnungen sind viele Unternehmen, insbesondere die KMU, davon noch weit entfernt.

Damit der Austausch strukturierter Daten als universelles Verfahren und nicht nur bilateral zwischen einzelnen Geschäftspartnern funktioniert, bedarf es für die entsprechende Dokumentart eines Austauschstandards. Was ist eine Rechnung? Oder eine Bestellung, Auftragsbestätigung, ... ? Das muss bei einem Austauschstandard durch Attribute beschrieben werden. Das nennt sich dann Taxonomie.

Dieselben Fragen sind bei der Bestimmung der steuerlich relevanten Daten nach GDPdU zu beantworten. Hat früher die von der AWV (Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung) herausgegebene Übersicht über die nach Handels- und Steuerrecht aufbewahrungspflichtigen Unterlagen als Orientierung genügt, da die Belege als Bild aufbewahrt und geprüft wurden, so stellte sich mit den GDPdU die Frage, welche Daten aus der Datenbank eins ERP-Systems eine Rechnung etc. ausmachen. Bei möglicherweise tausenden von Datenbanktabellen und zigtausend Datenfeldern.

In der Frage der semantischen Beschreibung steuerlich relevanter Daten durch Attribute lässt die Finanzverwaltung die Unternehmen bis heute alleine. Die Finanzverwaltung weiß um den dafür nötigen Aufwand und scheut diesen, da sie selbst keinen Nutzen von einer semantischen Klärung hat.

Ganz anderes sieht dies für die Finanzverwaltung bei der E-Bilanz aus. Da geht es um dieselbe Art von Fragestellung: Wie lässt sich ein steuerlicher Jahresabschluss semantisch durch Attribute beschreiben? Hier hat die Finanzverwaltung ein massives Interesse an einheitlich strukturierten, maschinell auswertbaren Daten und hat daher keine Mühen bei der zügigen Erarbeitung einer Taxonomie gescheut.

Nicht nur bei der E-Bilanz, insgesamt zeigt sich die Finanzverwaltung immer effizienter. Unter dem Druck der Krise der Staatsfinanzen geht es ihr darum, mit immer geringerem Personalaufwand das Steueraufkommen zu steigern. Dazu braucht sie Daten aus den Unternehmen. Und diese beschafft sie sich sukzessive. Seit zehn Jahren die steuerlich relevanten Daten bei Außenprüfungen. Aktuell die Jahresabschlussdaten durch die E-Bilanz. Läuft die E-Bilanz einigermaßen, wird der Datenhunger sicherlich weitergehen. Vielleicht stehen als nächstes die Rechnungsdaten auf der Agenda. Eine Taxonomie der wichtigsten Rechnungsdaten könnte vorgegeben und die Unternehmen dann verpflichtet werden, die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung durch die Daten aller ein- und ausgehenden Rechnungen entsprechend dieser Taxonomie zur detaillieren.

Zur steigenden Effizienz der Finanzverwaltung kommt - eher überraschend - deren Innovationsfähigkeit. Es hat lange gedauert, bis die Prüfer mit ihrer Prüfsoftware in der Fläche Ernst gemacht haben (manche Prüfer halten sich hier immer noch zurück). Doch eine Datenanalysesoftware wie IDEA gehört aufgrund ihrer Komplexität - die wiederum der Komplexität ihres Einsatzgebietes geschuldet ist -  zur Königsklasse der Anwendersoftware. Die fordert ihre Zeit der Einarbeitung und Gewöhnung. Heute haben die Außenprüfer die nötige Routine. Und mit dieser Routine haben sie die Wirtschaftsprüfer beim Einsatz von Datenanalysesoftware inzwischen überholt.

Die Maßnahmenpakete der Finanzverwaltung zur steuerlichen Risikoanalyse und bei der elektronischen Steuerprüfung scheinen zu greifen. Auch wenn es dazu keine offiziellen Stellungnahmen gibt. Deutliche Mehrergebnisse durch die elektronische Steuerprüfung sind wohl an der Tagesordnung.

Für den Fiskus ist es wesentlich eleganter, im Hintergrund durch effizientere Steuerprüfungen Milliardenbeträge für die Staatskasse zu generieren, als öffentlich über Subventionskürzungen oder Steuererhöhungen im selben Umfang zu diskutieren.

So werden sich die Unternehmen daran gewöhnen müssen, immer mehr elektronisch auswertbare Daten an den Staat zu liefern und damit transparenter zu werden. Wenn das Ziel dabei ist, das Steueraufkommen durch Steuergerechtigkeit zu steigern, hätte ich nichts dagegen.

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