BUNDESFINANZHOF
1. Der Steuerpflichtige ist gehalten, der
Außenprüfung im Original in Papierform erstellte und später
durch Scannen digitalisierte Ein- und Ausgangsrechnungen über sein
Computersystem per Bildschirm lesbar zu machen. Er kann diese Verpflichtung
nicht durch das Angebot des Ausdruckens auf Papier abwenden.
2. Der Datenzugriff der Finanzverwaltung
gemäß § 147 Abs. 6 AO erstreckt sich u.a. auf die
Finanzbuchhaltung. Der Steuerpflichtige ist nicht berechtigt, gegenüber der
Außenprüfung bestimmte Einzelkonten (hier:
Drohverlustrückstellungen, nicht abziehbare Betriebsausgaben,
organschaftliche Steuerumlagen) zu sperren, die aus seiner Sicht nur das
handelsrechtliche Ergebnis, nicht aber die steuerliche Bemessungsgrundlage
beeinflusst haben.
FGO § 69 Abs. 3 AO
§ 140, § 147 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5,
Abs. 6, § 199, § 200 Abs. 1 Satz 2 HGB
§ 238, § 249 Abs. 1, § 257
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Beschluss vom 26. September 2007
I B 53, 54/07
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Vorinstanz: FG Düsseldorf vom
5. Februar 2007 16 V 3454/06 A(AO) und
16 V 3457/06 A(AO) (EFG 2007, 890, 892)
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Gründe
A.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin
(Antragstellerin), eine AG, begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV) zweier
Anordnungen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) im
Zusammenhang mit dem Zugriff auf von der Antragstellerin gespeicherte Daten im
Rahmen einer Außenprüfung.
Das FA ordnete im Juli 2005 eine Außenprüfung
betreffend die Jahre 2001 bis 2003 bei der Antragstellerin an. Diese war im
Prüfungszeitraum Organgesellschaft im Rahmen einer
körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft mit ihrer
Muttergesellschaft als Organträgerin. Sie wickelte ihre handelsrechtliche
Finanzbuchhaltung über ein elektronisches Datenverarbeitungssystem ab. Eine
eigenständige steuerliche Buchführung bestand nicht. Abweichende
Buchungsansätze leitete die Antragstellerin in eine Steuerbilanz und in
eine steuerliche Gewinn- und Verlustrechnung über.
Die in Papierform eingegangenen Rechnungen
(Eingangsrechnungen) archivierte sie im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis
30. Juni 2001 durch Aufheben der Originale. Im Zeitraum 1. Juli 2001
bis 31. Dezember 2001 scannte sie die Eingangsrechnungen zusammen mit
steuerlich nicht relevanten Unterlagen auf elektronische Datenträger, ohne
dass das System nachträglich zwischen steuerlich relevanten und nicht
relevanten Unterlagen unterscheiden könnte; nach dem Einscannen vernichtete
sie die Originale der Eingangsrechnungen. Ab dem 1. Januar 2002
implementierte die Antragstellerin ein System, welches technisch eine Trennung
zwischen steuerlich relevanten und nicht relevanten Unterlagen ermöglichte,
und erfasste auf diese Weise ca. 90 % der eingehenden Rechnungen. Den
restlichen Teil der Eingangsrechnungen erfasste sie auch nach dem 1. Januar
2002 auf die bis dahin praktizierte, keine Trennung ermöglichende Art und
Weise. Die von ihr erstellten Rechnungen (Ausgangsrechnungen) archivierte die
Antragstellerin zunächst durch Aufbewahrung von Duplikaten. Ab dem
1. Februar 2003 speicherte sie die Ausgangsrechnungen elektronisch in Form
so genannter pdf-Dateien.
Die Antragstellerin verweigerte dem FA den unmittelbaren
Zugriff auf die ohne Trennungsmöglichkeit gescannten und digital
gespeicherten Belege und bot stattdessen an, die nicht freigegebenen Belege auf
Wunsch des FA auszudrucken. Außerdem verweigerte die Antragstellerin den
Datenzugriff auf folgende, ihrer Auffassung nach nur handelsrechtlich, nicht
aber auch steuerlich relevanten Konten der handelsrechtlichen
Finanzbuchhaltung:
- die
Drohverlustrückstellungen aus schwebenden Geschäften,
- die
nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben,
- die
Aufwendungen für handelsrechtliche Steuerumlagen der
körperschaftsteuerlichen und der gewerbesteuerlichen Organschaft.
Unter dem 31. März 2006 forderte das FA die
Antragstellerin daraufhin unter Berufung auf ein Einsichtsrecht nach
§ 147 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) auf, ihm den Zugriff auf die
digitalisierten Belege (Ein- und Ausgangrechnungen) des gesamten
Prüfungszeitraums zu ermöglichen. Außerdem forderte das FA die
Antragstellerin auf, ihm den Datenzugriff auch im Hinblick auf die drei
gesperrten Konten der Finanzbuchhaltung zu gewähren.
Hiergegen hat die Antragstellerin beim FA jeweils Einspruch
erhoben und die AdV hinsichtlich der getroffenen Anordnungen beantragt. Nach
Ablehnung der AdV-Anträge durch das FA hat die Antragstellerin die
entsprechenden Begehren an das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gerichtet,
welches die Anträge ebenfalls abgelehnt hat. Seine Beschlüsse vom
5. Februar 2007 16 V 3454/06 A(AO) und
16 V 3457/06 A(AO) sind in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2007, 890 und 892 abgedruckt.
Gegen diese Beschlüsse richten sich die Beschwerden der
Antragstellerin, denen das FG nicht abgeholfen hat.
Die Antragstellerin beantragt, die angefochtenen
Beschlüsse aufzuheben und die AdV anzuordnen.
Das FA beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen.
B.
Die vom Senat gemäß § 73 Abs. 1
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gemeinsamer Entscheidung
verbundenen Beschwerden sind unbegründet. Das FG hat die AdV zu Recht
abgelehnt.
I.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m.
Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO kann das Gericht der Hauptsache die
Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen.
Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen (§ 69
Abs. 2 Satz 2 FGO). Das ist nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) der Fall, wenn bei summarischer Prüfung des
Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in
der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der
Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (Senatsbeschlüsse
vom 22. Februar 2006 I B 145/05, BFHE 213, 29, BStBl II 2006,
546; vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II
2005, 351, m.w.N.).
Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage
bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte des FA.
II.
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Antragstellerin
im Rahmen der Außenprüfung verpflichtet ist, dem FA das Lesen der
eingescannten Ein- und Ausgangsrechnungen des Prüfungszeitraums über
ihr Computersystem per Bildschirm zu gestatten. Dabei bedarf es keiner
Entscheidung, ob --entsprechend der Auffassung von FA und FG-- die
diesbezügliche Befugnis des FA aus § 147 Abs. 6 Satz 1
AO abgeleitet werden kann, wonach das FA im Rahmen des Datenzugriffs u.a.
Einsicht in gespeicherte Daten nehmen kann, wenn die betreffenden Unterlagen mit
Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden sind. Jedenfalls folgt
eine Verpflichtung der Antragstellerin zur Lesbarmachung der Rechnungen aus
§ 200 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 147 Abs. 5
Halbsatz 1 AO.
1. Nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und
Nr. 3 AO sind die empfangenen Handels- oder Geschäftsbriefe und die
Wiedergaben der abgesandten Handels- oder Geschäftsbriefe vom
Steuerpflichtigen aufzubewahren. Aufbewahrungspflichtig sind danach --was auch
die Antragstellerin nicht in Zweifel zieht-- die Ein- und Ausgangrechnungen von
Handelsgesellschaften. Als aufbewahrungspflichtige Unterlagen gehören die
Ein- und Ausgangrechnungen zudem zu jenen Urkunden, die der Steuerpflichtige
gemäß § 200 Abs. 1 Satz 2 AO im Rahmen der
Außenprüfung vorzulegen hat (vgl. Tipke in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 200 AO Rz 8).
2. Das im Streitfall von der Antragstellerin vor der
Vernichtung der Originale praktizierte Einscannen und Digitalisieren der in
Papierform erstellten Rechnungen, d.h. die Speicherung von Abbildern der
Rechnungen in Form so genannter pdf- oder tif-Dateien auf Festplatten, CD-ROM
oder sonstigen Speichermedien ist eine zulässige Form der Aufbewahrung.
Anstatt einer Aufbewahrung im Original lässt § 147 Abs. 2 AO
u.a. für Handels- oder Geschäftsbriefe die Aufbewahrung als Wiedergabe
auf einem Bildträger oder auf einem anderen Datenträger zu, wenn dies
den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht und
sichergestellt ist, dass die Wiedergabe oder die Daten bei Lesbarmachung mit den
Originaldokumenten bildlich übereinstimmen (§ 147 Abs. 2
Nr. 1 AO) und wenn sie während der Dauer der Aufbewahrungsfrist
jederzeit verfügbar sind, unverzüglich lesbar gemacht und maschinell
ausgewertet werden können (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO).
Das Erfordernis der maschinellen Auswertbarkeit steht der
Zulässigkeit der Aufbewahrung von ursprünglich in Papierform
erstellten Rechnungen in Form von Bilddateien im pdf- oder tif-Format nicht
entgegen. Zwar mögen derartige graphische Dateien zur Weiterverarbeitung in
DV-gestützten Buchführungssystemen grundsätzlich nicht geeignet
sein (vgl. Burchert, Die Information über Steuer und Wirtschaft --Inf--
2006, 699, 703). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass auch die in Papierform
erstellten Originale der Rechnungen nicht zur maschinellen Weiterverarbeitung
geeignet waren und § 147 Abs. 2 Nr. 2 AO den
Steuerpflichtigen nicht verpflichten soll, bei der Archivierung auf einen
Datenträger eine höhere Datenverarbeitungsfähigkeit herzustellen,
als sie dem Original anhaftete. Nicht digitalisierte Belege dürfen deshalb
auch in Ansehung von § 147 Abs. 2 Nr. 2 AO in graphischen
Formaten gespeichert werden (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen --BMF-- betreffend die Grundsätze zum Datenzugriff und zur
Prüfbarkeit digitaler Unterlagen --GDPdU--, BStBl I 2001, 415,
Gliederungspunkte III.1. Abs. 2, III.2.; BMF, Fragen und Antworten zum
Datenzugriffsrecht der Finanzverwaltung --Stand: 15. Januar 2007--,
www.bundesfinanzministerium.de, dort die Links "Service" und "Downloads",
Gliederungspunkt III.5.; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 147
Rz 41d; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 147 Rz 6;
Schaumburg, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2002, 829, 831).
3. Die Aufbewahrung auf einem Datenträger
begründet nach § 147 Abs. 5 Halbsatz 1 AO die
Verpflichtung des Steuerpflichtigen, auf seine Kosten diejenigen Hilfsmittel zur
Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu
machen. Hiermit wird die allgemeine Vorlegungspflicht nach § 200
Abs. 1 Satz 2 AO für auf Datenträgern gespeicherte
Unterlagen dahin konkretisiert, dass die Vorlegung in Form der Lesbarmachung auf
der beim Steuerpflichtigen hierfür vorhandenen technischen Einrichtung zu
geschehen hat. Bei Speicherung von vorlegungspflichtigen Belegen in Form
graphischer Dateien auf Festplatten, CD-ROM oder sonstigen Speichermedien hat
die Lesbarmachung somit in der Weise zu erfolgen, dass der Steuerpflichtige dem
Prüfer die bei ihm vorhandene Hard- und Software zur Verfügung stellt,
damit dieser die gespeicherten Abbildungen der Belege unmittelbar am Bildschirm
einsehen kann.
Soweit die Antragstellerin demgegenüber meint, die
Lesbarmachung gemäß § 147 Abs. 5 Halbsatz 1 AO
könne auch durch Ausdrucken der Unterlagen erfolgen, weshalb dem
Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zustehe, ob er dem Prüfer die Einsicht per
Bildschirm gewähre oder ihm Ausdrucke der Unterlagen beschaffe,
widerspricht das Wortlaut und Systematik des § 147 Abs. 5 AO.
Während § 147 Abs. 5 Halbsatz 1 AO die Verpflichtung
zur Lesbarmachung begründet, statuiert § 147 Abs. 5
Halbsatz 2 AO eine (weitere) Pflicht des Steuerpflichtigen zum Ausdrucken
der Unterlagen, falls die Behörde dies verlangt. Das Ausdrucken wird mithin
nicht als eine Form der Lesbarmachung, sondern als zusätzliche Pflicht des
Steuerpflichtigen behandelt, welcher er auf Verlangen der Behörde
nachzukommen hat.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Gesetzesgeschichte.
Die Verpflichtung des Steuerpflichtigen zur Lesbarmachung und --auf Verlangen
der Behörde-- zum Ausdruck von auf Datenträgern gespeicherten
Unterlagen war bereits mit Inkrafttreten der Abgabenordnung in § 147
Abs. 5 AO enthalten. Sie bestand nach der damaligen Gesetzesfassung
allerdings nur, wenn eine Vorlage der Unterlagen (mangels Vorhandenseins des
Originals) "nur" in Form der Wiedergabe auf dem Datenträger möglich
war. Mit Einführung des Datenzugriffs der Finanzbehörden durch den mit
dem Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433,
BStBl I 2000, 1428) neu angefügten § 147 Abs. 6 AO ist diese
"nur"-Einschränkung in § 147 Abs. 5 Halbsatz 1 AO
gestrichen worden, so dass die Verpflichtung zur Lesbarmachung nicht etwa
entfallen, sondern auf die Fälle ausgedehnt worden ist, in denen die
Originalunterlagen noch vorgelegt werden könnten.
Dass mit Einführung des Datenzugriffs durch
§ 146 Abs. 6 AO die Verpflichtung zur Lesbarmachung von auf
Datenträgern gespeicherten Unterlagen nach § 147 Abs. 5 AO
nicht beeinträchtigt werden sollte (ebenso Eller, Elektronische
Rechnungsstellung und digitale Betriebsprüfung, 2003, Rz 68), zeigt
auch die Gesetzesbegründung des StSenkG. Dort wird die Einführung des
§ 147 Abs. 6 AO damit begründet, dass das damit geschaffene
Recht der Finanzbehörde auf Zugriff auf die in einem DV-System erzeugten
Daten des Steuerpflichtigen von dem bis dato bestehenden Recht auf Lesbarmachung
von Unterlagen nicht umfasst werde (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs
zum StSenkG vom 15. Februar 2000, BTDrucks 14/2683,
S. 129 f.). Der Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO
sollte mithin die Rechte der Finanzbehörde erweitern, nicht aber deren
bisher schon bestehenden Befugnisse einschränken.
4. Ein Verstoß des FA gegen das
Übermaßverbot liegt nicht vor. Dass das FA auf der unmittelbaren
Einsichtnahme besteht, obwohl die Antragstellerin ihrem Vorbringen nach die
betreffenden Daten nicht durchgängig getrennt von nicht steuerrelevanten
Daten archiviert hat, ist nicht unverhältnismäßig. Wie das FG
zutreffend ausgeführt hat, ist dieser allein in den Verantwortungsbereich
der Antragstellerin fallende Umstand nicht geeignet, das zulässige
Maß der Prüfungsintensität zu begrenzen. Soweit sich die
Antragstellerin in der Beschwerdebegründung darauf beruft, das FA sei von
den in den GDPdU niedergelegten Verwaltungsgrundsätzen abgewichen, bezieht
sich dies offenkundig nur auf die Frage der Anwendbarkeit des § 147
Abs. 6 AO auf erst nachträglich digitalisierte Belege, nicht aber auf
die aus § 147 Abs. 5 AO resultierende Pflicht zur
Lesbarmachung.
III.
Es ist auch nicht ernstlich zweifelhaft, dass die
Klägerin gemäß § 200 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§ 147 Abs. 6 Satz 1 AO verpflichtet ist, dem FA im Rahmen
der Außenprüfung den Datenzugriff auf die bislang gesperrten Konten
der Finanzbuchhaltung zu gestatten.
1. Gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1
AO hat der Steuerpflichtige u.a. seine Bücher gesondert aufzubewahren.
Unter "Büchern" in diesem Sinne sind solche Bücher zu verstehen, die
für steuerliche Zwecke geführt werden (vgl. Drüen in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 147 AO Rz 4). Im Falle der Antragstellerin, die als
Handelsgesellschaft gemäß § 238 Abs. 1 des
Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Rechnungslegung nach den handelsrechtlichen
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) verpflichtet
ist, sind dies die Handelsbücher, deren Führung über
§ 140 AO auch zur steuerrechtlichen Pflicht erhoben wird.
Damit gehört zu den aufbewahrungspflichtigen
Büchern auch die Finanzbuchhaltung der Antragstellerin, die Aufschluss
über das durch Bilanzierung nach den GoB zu ermittelnde Betriebsergebnis in
Form des Unterschiedsbetrages zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des
Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres gibt. Dieser Unterschiedsbetrag ist gemäß
§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m.
§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
Ausgangspunkt auch für die steuerliche Gewinnermittlung. Die von der
Antragstellerin gesperrten Konten sind unbestritten solche der
Finanzbuchhaltung, die zur Ermittlung der Unterschiedsbeträge des
Prüfungszeitraums beigetragen haben, so dass sich die Aufbewahrungspflicht
gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO auch auf diese Konten
erstreckt.
2. Mit der steuerlichen Aufbewahrungspflicht korrespondiert
die Vorlegungspflicht gemäß § 200 Abs. 1 Satz 2
AO (vgl. oben, B.II.1.; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 200 AO
Rz 8), die dem Steuerpflichtigen aufgibt, im Rahmen der
Betriebsprüfung u.a. seine Bücher vorzulegen. Auch die
Vorlegungspflicht erstreckt sich mithin auf die gesamte Finanzbuchhaltung.
3. Führt der Steuerpflichtige --wie die Antragstellerin
im Prüfungszeitraum-- seine Bücher über ein elektronisches
Datenverarbeitungssystem, tritt an die Stelle der Vorlage körperlicher
Handelsbücher der Datenzugriff der Finanzbehörde gemäß
§ 147 Abs. 6 AO. Der Steuerpflichtige hat hieran gemäß
§ 200 Abs. 1 Satz 2 AO im Rahmen der Außenprüfung
unterstützend mitzuwirken.
Der Datenzugriff erstreckt sich ausweislich der Bezugnahme
in § 147 Abs. 6 Satz 1 AO auf die Unterlagen nach
Abs. 1 der Vorschrift, mithin über Abs. 1 Nr. 1 wiederum
auch auf die Daten der Finanzbuchhaltung (vgl. BMF-Schreiben betreffend die
GDPdU in BStBl I 2001, 415, Gliederungspunkt I.1.; Schaumburg, DStR 2002, 829,
832; Apitz, Die steuerliche Betriebsprüfung --StBp-- 2002, 33, 41;
Intemann/Cöster, DStR 2004, 1981, 1982; Groß/Kampffmeyer/Eller, DStR
2005, 1214, 1215).
4. Den von der Antragstellerin gesperrten drei Konten der
Finanzbuchhaltung fehlt es entgegen deren Sicht nicht an steuerlicher Relevanz.
Sowohl die von der Antragstellerin in ihrer Handelsbilanz passivierten
Drohverlustrückstellungen (§ 249 Abs. 1 Satz 1
Alternative 2 HGB) als auch der von ihr als steuerlich nicht abziehbare
Betriebsausgaben bzw. als Organschaftsumlagen behandelte Aufwand haben den nach
den GoB zu ermittelnden handelsrechtlichen Gewinn reduziert und sich damit auf
den jeweiligen Unterschiedsbetrag, der gemäß § 4
Abs. 1 Satz 1 EStG Ausgangspunkt für die steuerliche
Gewinnermittlung ist, ausgewirkt.
Die steuerliche Relevanz ist nicht dadurch entfallen, dass
die Klägerin die betreffenden Minderungsbeträge im Rahmen der
Überleitungsrechnung dem steuerlich maßgeblichen Gewinn wieder
hinzugerechnet hat. Denn diese Hinzurechnung ist ein Teilakt der steuerlichen
Ergebnisermittlung und unterliegt als solcher der uneingeschränkten
Prüfung durch das FA. Hieran ändert es nichts, dass nach dem
Vorbringen der Antragstellerin durch die Prüfung etwa aufgedeckte Fehler im
Zusammenhang mit der Hinzurechnung sich ausschließlich ergebnis- und damit
steuermindernd auswirken könnten. Auch eine Ergebniskorrektur nach unten
und die dementsprechende Festsetzung einer niedrigeren Steuer wären
steuerrelevante Maßnahmen, die vom Zweck der Außenprüfung
gedeckt wären. Diese soll nämlich gemäß § 199
Abs. 1 AO der Prüfung der Besteuerungsgrundlagen zugunsten sowie
zuungunsten des Steuerpflichtigen dienen.
Es steht nicht im Belieben des Steuerpflichtigen, diesen
gesetzlich vorgegebenen Zweck der Außenprüfung durch Unterlassen der
Vorlage bzw. die Sperrung einzelner Konten beim Datenzugriff faktisch dahin zu
reduzieren, dass das FA nur noch auf eine Steuererhöhung gerichtete
Prüfungsmaßnahmen durchführen kann. Für die von der
Antragstellerin in Anspruch genommene "Option" zur Festsetzung einer
"höchstmöglichen Steuerbemessung, d.h. zur Höchststeuer" besteht
keine Rechtsgrundlage. Die Finanzverwaltung darf keine "Höchststeuer"
festsetzen, sondern hat im Rahmen der Außenprüfung die gesetzliche
Steuer zu ermitteln.
Im Übrigen erscheint es nicht zwingend, dass etwaige
Fehler im Zusammenhang mit der Hinzurechnung sich ausschließlich
zuungunsten der Antragstellerin auswirken könnten. So wäre es
beispielsweise denkbar, dass die Antragstellerin handelsrechtlich zu Unrecht
eine Drohverlustrückstellung gebildet hat, für die richtigerweise
--etwa weil es an den Voraussetzungen eines schwebenden Geschäfts fehlt--
eine Verbindlichkeitsrückstellung nach § 249 Abs. 1
Satz 1 Alternative 1 HGB zu bilden gewesen wäre, die auch
steuerbilanziell zu passivieren ist. Dann würde zwar im betreffenden
Wirtschaftsjahr eine Steuerminderung eintreten; in dem späteren
Wirtschaftsjahr, in dem die Verbindlichkeit erfüllt wird, wäre die
Erfüllung demgegenüber ergebnisneutral zu behandeln, während ohne
die zuvor gebildete Verbindlichkeitsrückstellung eine Ergebnisminderung
--und damit eine Steuerreduzierung-- eintreten würde. Das Beispiel zeigt,
dass die von der Antragstellerin praktizierte teilweise Kontensperrung dem FA
eine Prüfung der Bilanzkontinuität erschwert und deshalb dem Zweck der
Außenprüfung zuwiderläuft.
5. Der vom FA angestrebte Datenzugriff auch auf die von der
Antragstellerin gesperrten Konten der Finanzbuchhaltung ist nicht
unverhältnismäßig. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat,
gehört die Prüfung der Finanzbuchhaltung zum Kern der
Außenprüfungstätigkeit, so dass die Wahrnehmung der insoweit
bestehenden Zugriffsbefugnisse ein geeignetes und angemessenes Mittel zur
Erreichung des Prüfungszwecks ist. Das FA braucht sich in diesem
Zusammenhang auch nicht auf die von der Antragstellerin vorgeschlagenen
indirekten Kontrollverfahren (Gegenkonten- und Belegnummernanalyse) verweisen zu
lassen.