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Unified Legal Language (ULL)®

Semi-formale Beschreibungssprache für eine IT-gestützte Rechtsanwendung

Von Michael Lang und Stefan Groß

Dr. Michael Lang

Dr. Michael
Lang
(www.michaellang.de) war
wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für betriebswirtschaftliche
Steuerlehre bei Prof. Dr. Michael Heinhold (Universität Augsburg) und ist seit
2004 Steuerreferent der Dresdner Bank AG (Frankfurt am Main). Schwerpunkt seiner
mehrjährigen wissenschaftlichen und beruflichen Tätigkeit ist die methodische
und IT-gestützte Auswertung von juristischen Informationen sowie die
Softwareentwicklung und Implementierung von IT-Systemen in der Rechtsanwendung.
insb. im Bereich Steuerrecht und Reporting.

Stefan Groß

Stefan Groß, Steuerberater und Certified Informations Systems Auditor (CISA) ist Partner von Peters Schönberger & Partner GbR, einer renommierten Kanzlei von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Anwälten in München. Er beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit den steuerrechtlichen und verfahrenstechnischen Umfeld der elektronischen Steuerprüfung.

Täglich werden weltweit unzählige Rechtsvorschriften angewendet, neue Gesetze erlassen und bestehende Gesetze geändert. Diese Flut an gesetzlichen Regelungen erschweren zunehmend eine effiziente Anwendung in der Praxis. Während einerseits eine Unmenge an rechtlicher Fachliteratur veröffentlicht wird, sucht man auf der anderen Seite meist vergebens nach einer ausgereiften und praktikablen Möglichkeit, die zahlreichen Rechtsvorschriften schnell, zielgerichtet und vor allem korrekt anzuwenden. Was bislang fehlt sind IT-gestützte Konzepte, die eine effiziente Anwendung juristischer Informationen in der täglichen Praxis verbessern. Obwohl es naheliegend erscheint, diese Prozesse soweit als möglich IT-gestützt zu organisieren um ein Höchstmaß an Effizienz und Korrektheit zu erzielen, fehlt es an geeigneten Lösungen. Denkt man alleine an das Steuerrecht, so wird in inzwischen weltweit ein beträchtlicher Teil der Fachliteratur nur zu diesem rechtlichen Teilbereich veröffentlicht. Finanzverwaltung und Berater sind gezwungen mehr und mehr Informationen aufzuarbeiten und in Folge dessen erfinden sie häufig täglich das Rad neu, indem vielerorts identische Arbeitsabläufe durchgeführt werden. Ein Ansatz der hier in Zukunft für Abhilfe sorgen kann nennt sich Unified Legal Language (ULL) und stellt eine allgemeingültige Beschreibungssprache dar, die den Rahmen zur Darstellung und IT-gestützten Anwendung von juristischen Regelungen vorgibt.

Dieser Ansatz kann international für sämtliche Rechtsgebiete mehrsprachig sowohl auf Seiten des Staates als auch in der Privatwirtschaft eingesetzt werden. Neben Unternehmen, Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ist diese Methode der IT-gestützten Rechtsanwendung daher gleichermaßen in der Justiz und sämtlichen Bereichen der öffentlichen Verwaltung (Finanzverwaltung, eGovernment etc.) einsetzbar.

IT-Unterstützung

Die derzeit existierenden Softwaresysteme im juristischen Umfeld teilen sich grundsätzlich in zwei Bereiche. Auf der einen Seite stehen die zahlreichen Berechnungsprogramme und vereinzelt auch Expertensysteme, während auf der anderen Seite sämtliche Typen von juristischen Datenbänken zur Speicherung von Dokumenten im Volltext stehen. Beide Systeme leisten zweifellos wertvolle Dienste, haben aber auch systemimmanente Nachteile. Bei der erstgenannten Gruppe von Programmen werden juristische Zusammenhänge nur auszugsweise und soweit mathematisch-logisch eindeutig möglich abgebildet. Demgegenüber können in Datenbänken zwar vollständig alle Informationen aus sämtlichen Gesetzestexten, Kommentaren und dergleichen im Volltext gespeichert werden. Jedoch besteht bei diesen Systemen keine Möglichkeit die rechtssystematischen Zusammenhänge der Rechtsquellen IT-gestützt zu verwerten und damit im Einzelfall anwendbar zu machen. Auch die Verknüpfung dieser Dokumente als Hypertexte bringt nicht die erhoffte Transparenz und damit vor allem Effizienz.

Der Schulterschluss zwischen diesen beiden Typen von Systemen ist bislang noch von keiner Software realisiert. Dies hat dazu geführt, dass im Ergebnis die Rechtsanwendung den betroffenen Bürgern und Unternehmen, wie auch dem Staat bis dato gewaltige Ressourcen kostet. In einem umfangreichen Forschungsprojekt wurde daher eine IT-gestützte Methodik entwickelt, die die beiden Vorteile der unterschiedlichen Softwaresysteme vereint und somit diese Lücke schließen soll. Das heißt, dass einerseits alle Informationen im Volltext vorliegen, andererseits aber auch alle juristischen Zusammenhänge methodisch aufbereitet und deren Ausführung (soweit möglich) durch IT unterstützt wird. Das Kernstück dieser Theorie ist dabei die syntaktisch und semantisch vollständig definierte formal-juristische Sprache Unified Legal Language. Diese allgemeingültige Beschreibungssprache gibt den Rahmen zur Darstellung und IT-gestützten Anwendung der juristischen Methodik vor (vgl. Abb. 1).


Methodischer Zusammenhang

Abb. 1: Methodischer Zusammenhang


ULL: Der Ansatz

Gegenüber der herkömmlichen Darstellung der Rechtsquellen besitzt diese Systematik zentrale Vorteile:

Die allgemeingültige Spezifikation ist unabhängig von einem konkreten Rechtsgebiet. Vielmehr kann jede mögliche Ausprägung des Rechts, z.B. abstrakte Rechtssätze ebenso wie Fallrecht, mit dieser Systematik erfasst werden. Diese IT-gestützte Methodik der Rechtsanwendung ist daher keine „Insellösung“ für ein spezifisches Anwendungsgebiet, sondern eine universell anwendbare, abstrakte semi-formale Sprache.

Ebenso wie juristische Datenbänke ermöglicht ULL die lückenlose Einbeziehung sämtlicher Rechtsquellen, also Gesetze, Durchführungsverordnungen, Verwaltungsanweisungen, Gerichtsurteile, aber auch Kommentare, Fachpublikationen und andere juristisch verwertbare Informationen. Eine inhaltliche Reduzierung findet durch die Darstellung der originären Textpassagen nicht statt. Das System liefert auf diese Weise alle notwendigen Rechtsgrundlagen, die für die Anwendung im Einzelfall erforderlich sind. Durch die inhaltliche Strukturierung und die fallweise Variation des Detaillierungsgrades werden auf diese Weise Informationsdefizite beseitigt.

Die rechtliche Anwendungslogik resultiert meist nur mittelbar aus dem Zusammenwirken der unterschiedlichen Vorschriften, so dass für die Rechtsanwendung in einem konkreten Einzellfall zunächst sämtliche relevanten Rechtsquellen ausgewertet und semantisch in Beziehung zueinander gesetzt werden müssen. Im Gegensatz dazu entbehrt die lückenlose methodische Aufbereitung in ULL diese umfangreichen und zeitaufwändigen vorgelagerten Arbeitsschritte und macht die vernetzte Struktur unmittelbar transparent. Zudem werden sprachlich verschachtelte Formulierungen in ihre elementaren Aussagen aufgebrochen und damit entzerrt. Aus dieser grundlegenden Aufteilung der rechtlichen Informationen resultiert für den Rechtsanwender (auch bereits ohne IT-Unterstützung) eine ganz beachtliche Zeitersparnis, da die für die rechtliche Würdigung eines konkreten Sachverhaltes notwendigen Informationen unmittelbar und kontextabhängig anwendbar sind. Gleichwohl wird mit dieser Reorganisation der methodische und inhaltliche Gehalt des Rechts nicht reduziert.

Die IT-basierte Anwendung von ULL ermöglicht es ferner sämtliche rechtlich eindeutige Schlussfolgerungen oder Berechnungen automatisch, und, soweit Bewertungsspielräume vorhanden sind, die Rechtsanwendung interaktiv auszuführen. Auf diese Weise wird dieselbe Funktionalität wie bei herkömmlichen Berechnungsprogrammen bereit gestellt ohne jedoch die im Recht vorhandenen Bewertungsspielräume einzuengen oder methodisch zu reduzieren. Gerade in Bereichen mit einer Vielzahl von standardisierten Sachverhalten, wie z.B. die „simultane“ Bilanzierung und dem Reporting nach HGB, US-GAAP und IFRS/IAS, bedeutet dies eine erhebliche Zeitersparnis. Während herkömmlich überwiegend die zahlreichen Vorschriften immer wieder manuell angewendet werden, kontrolliert demgegenüber bei ULL der Rechtsanwender lediglich die korrekte Ausführung der rechtlichen Bestimmungen. Darüber hinaus besitzt ULL gegenüber den in der Praxis zahlreich angewendeten Excel-Sheets den zentralen Vorteil, dass sämtliche gesetzesimmanente Zusammenhänge nur einmalig als Prozess organisiert werden. Während bei Tabellenkalkulationsprogrammen durch jeden Einzelfall, die Anwendungslogik vervielfacht wird, existieren in ULL keine Redundanzen. Das Ergebnis ist eine deutlich geringere Fehleranfälligkeit und ein erheblich reduzierter Arbeitsaufwand bei Rechtsänderungen.

Da die Rechtsquellen und Sachverhalte in der gewohnten sprachlichen Form dargestellt werden bedarf es jedoch keiner spezifischen Softwarekenntnisse. Die zugrunde liegende XML-Technologie tritt daher auch nicht in Erscheinung, vielmehr verbirgt sich die Funktionalität hinter den Textpassagen oder dem Zahlenwerk des entsprechenden Anwendungsgebietes, unabhängig davon, ob die Anwendung der Rechtsvorschriften mehr numerischer Natur ist, z.B. im Bereich der Bilanzierung, oder ob ein Tatbestand subsumiert wird. In beiden Fällen ist die juristische Argumentationskette lückenlos per Mausklick nachvollziehbar. Diese nahtlose Transparenz bringt u.a. im Bereich der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Betriebsprüfung große Vorteile mit sich, da somit sämtliche Abstimmungsarbeiten überflüssig werden. Eine Einsparung von Ressourcen bei der Rechtsanwendung kann auf diese Weise in größerem Umfang erzielt werden.

Üblicherweise wird bei juristischer Software die Anwendungslogik der Rechtsvorschriften im Quellcode der Applikation oder in Form einer „Rule-Engine“ implementiert, so dass Rechtsexperten und Programmierer Hand in Hand oder in Personalunion arbeiten müssen. Somit ist dieses Verfahren sehr aufwändig sowie im Falle von Rechtsänderungen schwer zu modifizieren und damit im Ergebnis sehr fehleranfällig und kostenintensiv. Im Gegensatz dazu werden durch die Verwendung der für den Rechtsanwender unmittelbar verständlichen formal-juristischen Sprache Unified Legal Language keine Technik- oder Informatik-Kenntnisse benötigt. Vielmehr wird das Wissen analog der gewohnten juristischen Denk- und Ausdrucksweise in das System eingepflegt. Ähnlich wie bei Expertensystemen ermöglicht diese konsequente Trennung der Anwendungslogik der Rechtsvorschriften von der zugrundeliegenden Basis-Technologie eine höchst effiziente Entwicklung juristischer Software. Dementsprechend zeit- und kostengünstig sind die laufenden Rechtsänderungen bzw. die laufende Rechtsfortbildung umsetzbar. Im Ergebnis können damit binnen verhältnismäßig kurzer Zeit umfangreiche und hochwertige Programme für sämtliche Rechtsgebiete erstellt werden.

Ein auf ULL basierendes IT-System zur interaktiven Rechtsanwendung besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten. Die „Daten“ dieser XML-Technologie sind die methodisch aufbereiteten Rechtssätze. Sie beschreiben damit die inhärente Anwendungslogik des Rechts, m.a.W. die Semantik. Eine Rechtsänderung besteht daher „nur noch“ in der Änderung der entsprechenden „Anwendungsdaten“. Daneben ist eine Software zur Eingabe und Pflege der XML-Dateien notwendig (bzw. sinnvoll). Die dritte Komponente ist die Repräsentationsebene. Im einfacheren Falle werden die XML-Dateien lediglich mittels CSS, XSL-FO, XSLT etc. formatiert. Da in den XML-Dateien aber nicht nur der Wortlaut der Rechtssätze, sondern darüber hinaus deren methodischer Zusammenhang gespeichert ist, können durch entsprechende browserbasierte oder stand-alone Applikationen multifunktionelle Anwendungsmöglichkeiten geschaffen werden. Neben einer Komponente zur interaktiven und/oder automatisierten Unterstützung bei der klassischen Fallbearbeitung, sind darüber hinaus ebenso weitergehende Komponenten denkbar, z.B. zur Erstellung von Gutachten, zur Planung rechtlicher Gestaltungen (automatisierte Berechnungen, betriebswirtschaftliche Modelle etc.), für das Reporting bei Konzernen, zur Aus- und Weiterbildung (eLearning), als Plattform für den Informations- und Datenaustausch oder der flexiblen Zusammensetzung räumlich getrennter Experten („verteiltes Wissen“), zur Visualisierung und Unterstützung des Dozenten bei Präsentationen, Übersetzung in andere Sprachen und vieles andere mehr. Auf diese Weise können sehr effizient unterschiedliche Anwendungen implementiert werden. Die Rechtsanwendung kann somit aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden, bei der vielfältige spezifische Anforderungen von sämtlichen involvierten Personen und Institutionen individuell berücksichtigt werden. Anstelle von separaten Insellösungen greifen sämtliche Tools für Berater, Experten, Laien, Gesetzgebung, Verwaltung, Ausbildung, Entscheidungsträger etc. alle auf die in der Unified Legal Language gespeicherten rechtlichen Informationen zu. Durch die Umsetzung neuer Rechtssätze eines spezifischen Rechtsgebietes in das Datenformat von ULL steht damit automatisch die gesamte Funktionalität zur Verfügung (vgl. Abb. 2). Dementsprechend zeit- und kostengünstig gestaltet sich die Änderung oder neue Implementierung einer Software für einen spezifischen rechtlichen Anwendungsbereich.


Anwendungsmöglichkeiten

Abb. 2: Multifunktionelle Anwendungsmöglichkeiten


Der zentrale Kern dieses Konzeptes ist daher nicht nur die Organisation oder Verknüpfung von Dokumenten oder die Durchführung von Berechnungen, sondern vielmehr die methodische Aufbereitung der einzelnen Rechtssätze und damit die juristischen Informationen als solche. Dabei werden einerseits die Anforderungen der juristischen Methodenlehre berücksichtigt, und andererseits u.a. die Funktionalität von Berechnungsprogrammen und Datenbanken integriert. Im Hinblick auf die Entwicklungen der juristischen Informationsverarbeitung stellt ULL daher eine neue Generation dar, bei der gleichermaßen juristische wie auch technische und organisatorische Aspekte umgesetzt werden.

Anwendungsgebiete

Durch die ganzheitliche Sichtweise sowie der Ausnutzung von mehrfachen Synergieeffekten erschließt sich schnell ein großes zeitliches und finanzielles Einsparungspotenzial in sämtlichen betroffenen Bereichen: klassische Rechtsanwendung, Compliance, transparente Komplexität, Informationsbeschaffung, Qualitätssicherung, Wissensmanagement, Vermeidung von Informationsdefiziten, kein spezifisches Software-Know How und einheitliche Benutzeroberfläche für alle Rechtsgebiete, Definition von inhaltlichen Verantwortlichkeiten, automatisiertes Kontrollsystem (Tatbestände, Kennzahlen, Schwellenwerte), Erfüllung gesetzlicher Anforderungen (Sarbanes-Oxley Act), Unabhängigkeit von Mitarbeiterfluktuation, Minimierung des Haftungsrisikos, effizientes System zur Aus- und Weiterbildung, kostengünstige Softwareentwicklung etc.

Die durchgängige Anwendung von ULL ermöglicht daher auch nicht lediglich isolierte Verbesserungen in einzelnen Bereichen, z.B. bei der Informationsbeschaffung oder dem Reporting, sondern vielmehr werden damit sämtliche Arbeitsschritte effizient organisiert. Angefangen bei der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem konkreten Einzelfall, über die Erstellung von Gutachten oder dem Austausch mit anderen Experten bis hin zu einem umfassenden Informations-Instrument für z.B. die Konzernsteuerung. Anstelle von marginalen Effekten tritt eine durchgreifende Reorganisation und Optimierung von Prozessen, die auf der Anwendung von rechtlichen Vorschriften beruhen. Nach heutigen Maßstäben ermöglicht damit eine ULL-basierte Rechtsanwendung ein Höchstmaß an Effizienz und Qualität, die weit über bislang bekannte Technologien hinausgeht.

Darüber hinaus ergeben sich weitere Synergieeffekte daraus, dass die Beschreibungssprache Unified Legal Language unabhängig von einem konkreten Anwendungsgebiet einsetzbar ist. Zum einen erlaubt es die abstrakte Definition, sämtliche Rechtsgebiete verschiedener nationaler und internationaler Jurisdiktionen mehrsprachig (z.B. bei IFRS/IAS in englisch, deutsch etc.) darzustellen. Und schließlich können entsprechende Applikationen gleichermaßen auf staatlicher Seite sowie auch von der Privatwirtschaft genutzt werden. Durch diese sehr viel größere potenzielle Nutzerzahl werden die Entwicklungskosten für den einzelnen Nutzer erheblich minimiert – ULL ist damit eine dauerhafte und zukunftsfähige Alternative zu unrentablen Großprojekten von Staat, Wirtschaft und Beratern.

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Michael Lang / Stefan Groß: Unified Legal Language (ULL)

28.03.2024

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