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Der Steuerbonus-Vorschlag - die Abwrack-Prämie des Steuerrechts

Von Peter tom Suden

08.05.2009

Peter tom Suden

Peter tom Suden
Peter tom Suden ist Steuerberater. Er praktiziert in Göttingen und arbeitet daneben an Lösungen zur Organisation des Rechnungswesens in Klein- und Mittelunternehmen sowie an Modellen zur Kanzleiorganisation in kleinen und mittelgroßen Steuerberaterkanzleien Von 1993 bis 2004 war er Mitglied des Vorstands der DATEV eG.

Ist die Welt noch in Ordnung? Da machen Wahlkämpfer einen tollen Vorschlag, der vielen Steuerbürgern und vielen Finanzbeamten eine Menge Arbeit einspart. Und die diesen Vorschlag einbrachten, sind bestens davon überzeugt, dass sie dem Staat Kosten in großem Umfang ersparen. Ein gutes hat die Sache: Endlich wissen wir alle, was die Bearbeitung einer einfachen Steuererklärung in den Finanzämtern an Kosten verursacht: mindestens 300 € bei Einzelveranlagung und mindestens 600 € bei Zusammenveranlagung. Betroffen sind nach Schätzungen der Steuergewerkschaft etwa 5 Millionen Steuererklärungen. Bei genau hälftiger Verteilung zwischen Einzel- und gemeinsamer Veranlagung geht es also um eine Subventionssumme von ca. 2,25 Milliarden €. Angesichts der Zahlen, die uns seit einigen Monaten beschäftigen, eher eine vernachlässigbare Größe, oder? Wenn nur die Sache zu Ende gedacht wäre! Darf man das von seinem örtlichen Bundestagsabgeordneten noch verlangen oder ist das schon zu viel Anspruch? Schauen wir doch mal, wer alles nicht unter diesen Steuerbonus gegen Verzicht auf Abgabe der Einkommensteuererklärung fallen kann:

  • Rentner
  • Vermieter
  • Zinseinnehmer, die die Abgeltungssteuer nicht stehen lassen wollen
  • Arbeitnehmer mit den Steuerklassen
  • III/ V
  • VI
  • Ab 2010: IV mit Faktorisierung
  • Arbeitnehmer mit eingetragenen Freibeträgen
  • Arbeitnehmer mit Lohnersatzleistungen
    • Krankengeld
    • Elterngeld
    • AlG I
    • Ausgaben für Kinderbetreuung, die angesetzt werden sollen
  • Arbeitnehmer mit staatlich geförderter Altersvorsorge
    • Rürup
    • Riester; denn beide Förderungen basieren auf Steuersubventionen, z.B. gewähren Beiträge zur Riester-Rente einen Sonderausgabenabzug von 2.100 € im Jahr, den es ohne Einkommensteuererklärung nicht gäbe
  • Mehrfachbeschäftigte mit
  • Rentenversicherungsfreier und
  • Rentenversicherungspflichtiger Beschäftigung; zB der beamtete Facharzt, der nebenberuflich Lehrbeauftragter an einer Hochschule ist
  • Arbeitnehmer mit außerordentlichen Einkünften, bei denen der Arbeitgeber die Fünftel-Regelung anwandte
    • Abfindungen
    • Jubiläumszuwendungen
  • Arbeitnehmer mit 2 Ehen in einem Veranlagungszeitraum. Gibt´s nicht? Aber klar doch!
    • Verwitwet und schnell wieder verheiratet
    • Geschieden und gleich wieder verheiratet

 

Wer also kann diese scheinbar leicht verdienten 300 € per Postkarte erhalten? Wahrscheinlich niemand!!! Da ist es sicher nur ein kleiner und völlig unbedeutender Zwischenruf, die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorschlags zu stellen. Die ist nämlich nicht gegeben. Sie wäre gegeben, wenn dieser Vorschlag zu einer echten Vereinfachung der Verwaltungsarbeit führen würde. Tut er aber nicht, denn

  • für 5 Millionen Antragsberechtigte müssen Grunddaten erfasst werden
    • Personalien
    • Adressen
    • Bankverbindung

Und die müssen selbstredend verwaltet werden. Wer soll das denn machen? Vermutlich ein Teil der nach diesem Vorschlag zum finanzbeamteten Däumchendrehen abgestellten Veranlagungsbeamten. Ersparnis? Nix! Also: nicht verfassungskonform.

Völlig übersehen wurde von unseren politischen Eliten - denn nur von da kann doch so ein Vorschlag kommen, dass Einkommensteuerbescheide keineswegs nur für die Festsetzung von Einkommensteuer taugen. Nein, sie werden benötigt u.a. für

  • Beantwortung von klugen Fragen der Kindergeldkasse
  • Aufklärung der Sozialämter bei zu berechnenden Kontributionen Angehöriger zu Unterhaltsleistungen an deren Eltern und/ oder Kinder
  • Wohngeldberechnungen
  • Kreditakten
  • Beitrags-Einstufungsverfahren bei freiwillig Krankenversicherten Mitgliedern von Ersatzkassen
  • Anträgen auf staatliche Transferleistungen
  • Subventionen haushaltsnaher Dienstleistungen

Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzähligkeit!

Ob dieser Vorschlag nun halbgar oder ausgekocht ist, mag ich nicht entscheiden! Sicher aber ist, dass die hier eingesetzte Geisteskraft besser in einer ordentlichen Steuervereinfachung eingesetzt worden wäre. Welche Chance wurde hier verpasst. Gerade hatte man doch so schön die Anlage EÜR im Einkommensteuer-Formular untergebracht. Na gut, na gut, das FG Münster mäkelt da noch rum und vermisst eine gesetzliche Fundamentierung, aber das ist doch nur westfälische Kleinlichkeit einzelner Dickschädel, das vergeht schon wieder. Und dann erst der Probelauf zur Anlage BIL, der elektronische Bundesanzeiger nämlich. Hat doch prima geklappt. Was im Handelsregister funktioniert, sollte doch im Finanzamt schon gleich gar nicht fehlschlagen. Mit DEN Daten kann man dann endlich die permanente Betriebsprüfung angehen. Und wie genial: Kleinkram schmeißt man gleich raus. Wir denken hier großzügig. Wozu sollen Kleinunternehmer noch Bilanzen erstellen. Steuerlich gesehen sind die von Buchführungspflichten befreit; und damit auch von allen Torturen durch GDPdU, GoBS und sonst noch was. Wenn man das nun konsequent weiterbetreibt, dann ergibt sich:

  • Verzicht auf die USt-Erklärung bei Kleinunternehmern § 19 UStG
  • Verzicht auf die Gewerbesteuer-Erklärung bei Kleinunternehmern, die auch von Buchführungspflichten befreit sind
  • Verzicht auf Veröffentlichungspflichten bei kleinen GmbH´s
  • Verzicht auf die qualifizierte elektronische Signatur bei "Klein-Rechnungen", also solchen unter 1.000 € netto, die können dann eben auch als Word-Datei verschickt werden

Wenn das Ganze dann noch mit einer Abschaffung unnötiger Verkomplizierungen der Einkommensteuer und ihrer Erklärung verbunden würde, dann wären wir einen großen Schritt weiter. In anderen Ländern geht es doch auch. In keinem europäischen Land gibt es so lange Einreichungsfristen wie in Deutschland. In einfachen Fällen beträgt die Frist 2 Monate nach Ablauf des Fiskaljahres. Zu diesem Zeitpunkt müssen z.B. in den Niederlanden und in Dänemark Arbeitnehmer, Rentner, Pensionisten, Zinseinnehmer und Vermieter ihr Einkommen erklärt haben. Gleichfalls so in USA, wobei da das IRS erwartet, dass im Wege einer Vorausberechnung in Fällen einer Steuernachzahlung der Scheck gleich mit dem Formular 1040 eingereicht wird. Da leben wir in Deutschland doch in paradiesischen Verhältnissen. Und anders als bei uns wissen die Fiskalbehörden in den Niederlanden oder in Dänemark -beides Länder, die nicht gerade dafür bekannt sind, ihre Bürger als Super-Nanny zu bevormunden- über die vorgenannten Gruppen von Steuerbürgern so viel, dass es ihnen möglich ist, eine vorgefertigte Steuererklärung per Diskette oder USB-Stick (Niederlande) oder sogar einen vorgeschätzten Steuerbescheid (Dänemark) zu übersenden. Will der Steuerbürger andere Daten erfasst wissen oder Änderungen berücksichtigt haben, meldet er sich bei seiner Behörde, in dem er den auf dem Stick (Niederlande) gespeicherten Steuerfall zurückschickt, gern auch per eMail, oder (Dänemark) die Erklärung am Telefon (!) mit # und * ändert. OK, die beiden Länder prüfen ca. 10 % der eingereichten Erklärungen intensiv (so macht es auch die IRS) und den Rest eben nicht. Und Dänemark hat ein nachahmenswertes Ertragsteuersystem, das die Einkommensteuern verteilt auf das Reich, den Distrikt und die Kommune. In "reichen" Kommunen gibt es gute Krankenhäuser, gepflegte Schulen, ansprechende Kindergärten und Altenheime; die Straßen und Brücken sind in Ordnung und das Gemeinwesen stimmt. Die Bürger -und alle anderen auch- sehen ganz direkt, wofür hier ihre Einkommensteuern ausgegeben werden. Das führt zu einem deutlich geringeren Anteil an hinterzogenen Steuern. Und man braucht auch nicht so komplexe Einkommensteuer-Ausnahmen und Sonderregelungen wie in Deutschland. Das wenigstens zu diskutieren wäre doch wohl mal den Schweiß der Edlen wert gewesen, oder? Und was bekommen wir statt dessen von denen, die unser Volk vertreten und lenken? Eine Abwrack-Prämie für Steuererklärungen, die so gar nicht eingeführt werden kann. Das hätte man mal in Frankreich versuchen sollen…… Was mich hier aber am meisten verärgert, ist die Chuzpe, mit der dieser Vorschlag in eine Co-Finanzierung geht. Dank dieses Vorhabens wissen wir, dass die Kosten für die Bearbeitung eines einfachsten Einkommensteuerfalles in einem durchschnittlichen Finanzamt bei über 300 € liegen. Verrechnungsstundensatz von 50 € angenommen muss das Amt da also -all-in- über 6 Stunden dran arbeiten. Jede auch nur mit mittelmäßig begabten Sachbearbeitern und mediokrer Technik ausgestattete Steuerkanzlei macht das schneller und damit billiger. Wenn von den 5 Mio. Einkommensteuer-Erklärungen, die angeblich wegfallen könnten, nur 3 Mio. bisher in Steuerkanzleien und Lohnsteuerhilfe-Vereinen bearbeitet wurden und die durchschnittlichen Honorare je Erklärung sich auf ca. 200 € belaufen hätten, dann entgehen diesen Betrieben Einnahmen von 600 Mio. € Tolle Subvention zu unseren Lasten. Das hätte man doch auch anders haben können! Die Steuerkanzleien sind ja Organe der Rechtspflege. Für ein Entgelt von -sagen wir- 100 € je Fall könnten die doch die Veranlagungsarbeiten gleich mit übernehmen. Natürlich nicht die an den selbsterstellten Erklärungen, aber eben an den anderen. Und nur bei Rechtsbehelfsfällen würden die Finanzämter tätig. Die frei werdende Kapazität könnte man in eine moderne Steuerprüfung, kürzere Bearbeitungszeiten und bessere Fortbildung der Mitarbeiter stecken. Und jetzt soll mir niemand kommen und sagen, damit würde der Staat Verwaltungshandeln privatisieren und im Grunde auf sein Gewaltmonopol verzichten. Notare, die Amt ausüben, gibt es seit mehreren hundert Jahren; und dazu habe ich noch kein solches Argument gehört.

Wenn wir etwas anders haben wollen, müssen wir etwas tun. Jeder weiß: wir haben demnächst EU-Wahl und bald Bundestagswahl. Wenn nur 10 % der Leser ihre Abgeordneten mit 2 Fragen traktieren, bekommen wir sicher interessante Antworten:

1. Lieber EU-Parlamentarier, Du willst ja meine Stimme. Wie hältst Du es mit den verkorksten Vorschlägen der EU-Kommission zur elektronischen Signatur? Antworte mir besser vor der Wahl, sonst komme ich nicht und Dir fehlt dann die demokratische Legitimation. Da kannst Du noch so viele Abkommen von Lissabon und sonstwo noch versuchen zu treffen. Und lass nicht Deine verquaste Textbausteinmaschine oder Deinen jungakademischen Assi antworten, sonst wähle ich Deinen Gegner!

2. Lieber MdB, Du willst ja meine Stimme. Wie hältst Du es mit dem Steuerbonus? Antworte mir besser vor der Wahl, sonst komme ich nicht und Dir fehlt dann die demokratische Legitimation. Außerdem nehmen Dich dann noch weniger Wahlkreisbewohner ernst. Und lass nicht Deine verquaste Textbausteinmaschine oder Deinen jungakademischen Assi antworten, sonst wähle ich Deinen Gegner!

Man muss sagen, was man will, dann bekommt man, was man will. Wenn man sagt, was man nicht will, dann bekommt man, was man nicht will.

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28.03.2024

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