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Die elektronische Geschäftswelt braucht Taxonomien

Von Gerhard Schmidt

08.04.2009

Gerhard Schmidt

Gerhard Schmidt
Chefredakteur des "Forum Elektronische Steuerprüfung".

Die konventionelle Geschäftswelt ist bestimmt durch den Dokumentenaustausch auf Papier. Dabei ist die Information fest mit dem Informationsträger verbunden. Werden Dokumente elektronisch ausgetauscht, verliert die Information die feste Verbindung mit einem Informationsträger. Das sollte eigentlich kein Problem sein, denn entscheidend sind doch die von einem Informationsträger unabhängigen Informationsinhalte. Bei genauerem Hinschauen zeigen sich allerdings gravierende Probleme.

Die Information über die Unversehrtheit der Informationsinhalte auf ihrem Transportweg beispielsweise wird durch die -  als manipulationssicher angesehene - Verbindung der Informationsinhalte mit dem Informationsträger Papier gegeben. Und im elektronischen Fall? Da bedarf es anderer Lösungen, die Manipulationssicherheit zu gewährleisten. Eine Möglichkeit dazu ist die - bei elektronischen Rechnungen auch explizit geforderte - elektronische Signatur.

Oder die Frage der steuerlich relevanten aufbewahrungspflichtigen Daten. Seit Beginn der elektronischen Steuerprüfung wird darüber diskutiert. Eine befriedigende Antwort dazu gibt es nach wie vor nicht. In der konventionellen, dokumentbasierten Geschäftswelt dagegen ist die Antwort ganz einfach. Ein Blick in das von der AWV (Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V.) herausgegebene Buch "Aufbewahrungspflichten und -fristen nach Handels- und Steuerrecht" (ISBN 3-503-07022-2) genügt. Darin sind auf über 50 Seiten Schriftgüter von "Abbaumeldungen" bis "Zwischenlagerbestandsnachweise" aufgelistet mit Angaben dazu, ob und ggf. wie diese aufzubewahren sind. Die Identifikation der Schriftgüter ist relativ einfach. Eine Auftragsbestätigung ist ein Stück Papier auf dem "Auftragsbestätigung" steht. Und wenn jemand in eine Ecke des Papiers einen Smily gekritzelt hat, dann ist dieser Teil der Auftragsbestätigung und muss mit aufbewahrt werden.

Begeben wir uns in die elektronische Geschäftswelt, stellen sich Fragen wie: Was ist in einem ERP-System das "Schriftstück Auftragsbestätigung"? Da müssen wir erst einmal konstatieren: Namen sind Schall und Rauch. Denn die AWV-Zusammenstellung verzeichnet nur die Namen von Schriftgütern, ohne inhaltliche Definition dazu. Auf eine inhaltliche Definition konnte verzichtet werden, denn in der Papierwelt ist eine rein extensionale Begriffsbestimmung ausreichend. Der Begriff "Auftragsbestätigung" ist bestimmt durch die Menge aller Papiere über denen das Wort "Auftragsbestätigung" steht. Was immer diese Papiere enthalten, gehört zur Auftragsbestätigung. Die extensionale Definition eines Begriffes lässt sich so vorstellen, dass auf alle Gegenstände gezeigt wird, die unter diesen Begriff fallen und dadurch diese Gegenstände gegenüber allen anderen Gegenständen abgegrenzt werden.

In der elektronischen Welt ist eine extensionale Begriffsbestimmung unmöglich. Denn da gibt es keinen physischen Informationsträger (Papier), über den eine inhaltliche Zusammengehörigkeit von Informationen hergestellt werden könnte. Es ist - im Gegensatz zu Papierdokumenten - theoretisch unmöglich, in einem ERP-System auf alle Auftragsbestätigungen zu zeigen.

Die elektronische Welt erfordert eine intensionale Begriffsbetrachtung. Das heißt, die Gesamtheit der gemeinsamen Merkmale der Gegenstände, die der Begriff umfasst, muss exakt beschrieben werden. Diese Beschreibung ist Voraussetzung dafür, die Daten, die zu einer Auftragsbestätigung gehören, in einem ERP-System zu identifizieren. Beim Entwurf der Architektur der Datenbank eines ERP-Systems spielen viele Gesichtspunkte eine Rolle, ganz sicher aber nicht die AWV-Liste. Die zu einer Auftragsbestätigung gehörenden Daten sind daher über eine Vielzahl von Datenbanktabellen verstreut. Diese Daten müssen für die gesetzliche Aufbewahrung alle aus der Datenbank zusammengesammelt werden. Und zwar genau diese Daten, denn im Falle einer steuerlichen Außenprüfung dürfen auch freiwillig zusätzlich überlassene Daten verwertet werden und das kann nicht das Interesse eines Unternehmens sein - es sei denn, es handelt sich um "Smily-Daten".

Die Frage nach den für die Außenprüfung aufbewahrungspflichtigen steuerlich relevanten Daten kann deshalb nicht beantwortet werden, weil wir hier sprachlos sind. Wir haben keine intensionale Definition dieser "Unterlagen". Und wir haben niemanden, der sich dieser Aufgabe stellt.

Die Finanzverwaltung, ohne deren Mitwirkung eine Definition nicht gelingen kann, scheut den Aufwand dafür und stellt sich offensichtlich auf den Standpunkt, dass die Finanzgerichtsbarkeit sich notfalls schon an der einen oder anderen Stelle einer intensionalen Begriffsklärung annehmen wird.

Die Unternehmen sind ratlos, weil sie gezwungen werden, sich individuell ihre eigene Begriffswelt zu schaffen. Dem einzelnen Außenprüfer geht es genau so. Das kann nur in eine babylonische Sprachverwirrung und daraus resultierende Konflikte münden.

Der Übergang von einer extensionalen zu einer intensionalen Begriffsdefinition ist für den elektronischen Geschäftsverkehr ebenso mühsam wie zwingend. Doch die Aufgabe kann erfolgreich gemeistert werden. Das beste Beispiel dafür ist XBRL (eXtensible Business Reporting Language). Die weltweite XBRL-Bewegung (www.xbrl.de) hat sich der Aufgabe verschrieben, primär den Begriff "Jahresabschluss" intensional in einer Taxonomie zu definieren. Unter einer Taxonomie versteht XBRL dabei "eine Beschreibung eines Wissensgebiets mit seinen Einzelelementen, die beschrieben, klassifiziert und in einer zusammenhängenden Struktur dargestellt werden."

Da Dokumente nicht nur in einer für alle Beteiligten einheitlichen Sprache verfasst sein sollen, sondern auch automatisiert weiterverarbeitbar sein sollen, ergänzt XBRL die semantische Ebene der Taxonomie durch eine technische Ebene auf der Grundlage der Sprache XML.

Das XBRL-Prinzip ist ein universelles Prinzip für den elektronischen Austausch jeder Art von "Dokumenten" und damit auch für aufbewahrungspflichtige Unterlagen.

Die AWV-Liste dieser Unterlagen ist lang. Jede aufbewahrungspflichtige Unterlage muss für die elektronische Geschäftswelt -  streng genommen - intensional definiert werden. Eine Mammutaufgabe. Wo nur anfangen? Am besten mit einer Taxonomie für Rechnungen, denn eine Rechnung gibt es bei jedem Handelsgeschäft. Aus einer Taxonomie für Rechnungen lassen sich dann Taxonomien für inhaltlich ähnliche Unterlagen entwickeln, wie Angebote, Aufträge oder Lieferscheine usw.

Angenehm, dass dabei nicht bei null angefangen werden muss, sondern auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden kann. Die openTRANS-Initiative (www.opentrans.org) führender deutscher und internationaler Unternehmen unter der Leitung von Fraunhofer IAO hat sich die Standardisierung von Geschäftsdokumenten (Auftrag, Lieferschein, Rechnung etc.) nach dem XBRL-Prinzip nicht nur zum Ziel gesetzt, sondern auch schon Ergebnisse erarbeitet. Diese Ergebnisse müssen "nur" noch so aufbereitet werden, dass nicht nur große Unternehmen in ihren Logistikprozessen davon profitieren können, sondern Unternehmen jeder Art und Größe.

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